Der BGH hat ursprünglich stets betont, dass bei Maßnahmen künstlicher Befruchtung das private Versicherungsverhältnis in besonderem Maße den Grundsätzen von Treu und Glauben unterstehe. Der Versicherungsnehmer müsse daher bei der Inanspruchnahme einer besonders kostenträchtigen und nicht vital lebensnotwendig Behandlung in angemessener Weise Rücksicht auf den Versicherer und die Versichertengemeinschaft nehmen. Deshalb hat der Versicherer jedenfalls unverhältnismäßige Kosten nicht zu erstatten. Aus diesem Grunde werden derzeit Kinderwunschbehandlungen gleichgeschlechtlicher Paare genauso abgelehnt wie diejenigen, bei denen eine Sterilität bewusst herbeigeführt wurde.
Kostenerstattungsanspruch des Partners
In der Praxis wenden die Krankenversicherer regelmäßig ein, dem Kostenerstattungsanspruch des eigenen Versicherungsnehmers stehe - zumindest teilweise - ein Erstattungsanspruch des Partners, sei es im Rahmen der gesetzlichen oder der privaten Krankenversicherung, entgegen.
Diesem Einwand kann entgegengehalten werden, dass der Versicherungsnehmer keinen eigenen Anspruch gegen den Versicherer seines Partners hat, gleichgültig ob es sich um einen privaten oder einen öffentlichen Krankenversicherer handelt. Trotzdem haben sich im Laufe der Zeit Fallkonstellationen herausgebildet, aus denen sich die unterschiedlichen Zuständigkeiten von privaten und gesetzlichen Kassen bei den verschiedenen Konstellationen vom Versicherungsstatus, Zeugungsfähigkeit und Ehestand entnehmen lassen. Folgende Fallkonstellationen sind denkbar:
Eheleute - homologes System
Beim homologen System findet die Befruchtung ausschließlich mit Ei und Samenzellen der Eheleute selbst statt.
Fall 1:
Beide Ehepartner sind privat krankenversichert.
- Es wird danach unterschieden, ob die Eheleute beim selben privaten Krankenversicherer versichert sind oder nicht.
- Ist der Ehemann zeugungsfähig, die Ehefrau aber zeugungsunfähig, trägt sämtliche Behandlungskosten, auch die notwendige Mitbehandlung des Ehemannes, die private Krankenversicherung der Ehefrau.
- Sind beide Eheleute zeugungsunfähig, trägt die private Kasse sämtliche Behandlungskosten wobei wie folgt zu unterscheiden ist:
- sind die Eheleute bei der selben Kasse versichert, trägt diese private Kasse sämtliche Kosten
- sind die Eheleute bei verschiedenen Privatkrankenkassen versichert, trägt jede private Krankenversicherung diejenigen Kosten, für die bei ihrem Versicherungsnehmer erbrachten Leistungen. Dies bedeutet, die Kosten der ICSI trägt der private Versicherer des Ehemannes, die Kosten für die IVF-Behandlung trägt dagegen der private Versicherer der Ehefrau.
Fall 2:
Ein Ehepartner ist privat, der andere Ehepartner gesetzlich krankenversichert.
- Ist der Ehemann privat, die Ehefrau hingegen gesetzlich krankenversichert sind folgende Konstellationen denkbar:
- Ehemann zeugungsunfähig, Ehefrau zeugungsfähig: Sämtliche Kosten trägt der private Versicherer des Ehemannes.
- Ehemann zeugungsunfähig, Ehefrau ebenfalls zeugungsunfähig: Die Kosten trägt die private Kasse des Ehemannes und die gesetzliche Kasse der Ehefrau jeweils für die Leistungen, die bei Ihrem Versicherer erbracht werden (extrakorborale Leistung: Kosten für IXI trägt die private Versicherung des Ehemannes, Kosten für IVF die gesetzliche Krankenkasse der Ehefrau).
Fall 3:
Der Ehemann ist gesetzlich, die Ehefrau privat versichert:
- Ist der Ehemann zeugungsfähig, die Ehefrau hingegen zeugungsunfähig: Sämtliche Kosten trägt die private Krankenversicherung der Ehefrau.
- Ist es umgekehrt, der Ehemann also zeugungsunfähig und die Ehefrau zeugungsfähig, tragen sämtliche Kosten die gesetzliche Krankenkasse des Ehemannes.
- Ist der Ehemann zeugungsunfähig und die Ehefrau zeugungsunfähig tragen die gesetzliche Kasse des Ehemanns und die private Kasse der Ehefrau jeweils die Kosten für die Leistung die für ihren Versicherten erbracht wurden.
Fall 4:
Beide Eheleute sind gesetzlich krankenversichert.
- Es wird danach zu unterscheiden sein, ob sie in der selben gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind oder nicht.
- Ist der Ehemann zeugungsfähig, die Ehefrau zeugungsunfähig und beide bei der selben gesetzlichen Kasse versichert, trägt sämtliche Kosten diese gesetzliche Kasse, wobei die Ehefrau die Ansprüche alleine geltend machen kann.
- Sind die Eheleute bei unterschiedlichen gesetzlichen Kassen versichert, trägt sämtliche Kosten für die extrakorporale Maßnahme die gesetzliche Kasse der Ehefrau. Die Ehefrau kann diese Ansprüche insoweit allein geltend machen. Kosten für die Untersuchung und Aufbereitung (gegebenenfalls einschließlich der Kapazitation) des Spermas trägt hingegen die gesetzliche Kasse des Ehemannes.
- Ist der Ehemann zeugungsunfähig, die Ehefrau zeugungsfähig und beide Eheleute bei der selben Kasse versichert, kann die Ehefrau die Ansprüche auch allein geltend machen.
- Sind die Eheleute bei unterschiedlichen gesetzlichen Kassen versichert, trägt die Kosten der extrakorporalen Maßnahme die gesetzliche Kasse der Ehefrau. Die Ehefrau kann Ansprüche alleine geltend machen. Kosten für Untersuchung und Aufbereitung des Spermas trägt die gesetzliche Kasse des Ehemannes.
Eheleute - heterologes System
Beim heterologen System stammen die Samenzellen von einem Spender.
Fall 1:
Ein Ehepartner oder beide Ehepartner sind gesetzlich krankenversichert.
- Nach § 273 Abs. 1 Nr. 4 SGB V ist Leistungsvoraussetzung, dass ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehepartner verwendet werden. Ansprüche im heterologenen System, bei dem fremde Eizellen oder Samenzellen verwendet werden, sind damit nicht erstattungsfähig.
Fall 2:
Ein Ehepartner oder beide Ehepartner sind privat krankenversichert.
- Diese Frage ist höchstrichterlich bislang nicht entschieden. Im Urteil vom 17.12.1986 wurde dies durch den BGH ausdrücklich offen gelassen. Sofern in den allgemeinen Bedingungen, die dem Versicherungsvertrag zugrunde zu legen sind, keine ausdrückliche Regelung enthalten ist, ergibt sich daher eine rechtlich unklare Lage. Viele lehnen den Erstattungsanspruch ab, da die Unantastbarkeit des Kinderwunsches von Eheleuten aus deren Selbstbestimmungsrecht herrühre, welche Ei - oder Samenzellen von Fremden nicht umfasse.
Nicht verheiratete Paare - homologes System
- Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung ist ein Kostenerstattungsanspruch bei nicht verheirateten Paaren abgelehnt worden. § 27 Abs. 1 Nr. 3 SGB V ist insoweit eindeutig.
- Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 28.02.2007 auch bestätigt, dass die Ungleichbehandlung von nicht ehelichen Lebensgemeinschaften verfassungsgemäß ist.
- Im Rahmen der privaten Krankenversicherung ist diese Frage noch nicht höchstrichterlich entschieden, aber nach wie vor sehr brisant.
Medizinische Notwendigkeit
Die Notwendigkeit einer Behandlungsmaßnahme ist dann gegeben, wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Behandlung vertretbar ist, sie als medizinisch notwendig anzusehen (BGH NJW 2005, 3783).
Dazu führt der BGH Folgendes aus:
"Die fehlende Fortpflanzungsfähigkeit betrifft zwar nicht in dem Sinne eine vital-körperliche Funktion, dass die Kranke nicht auch ohne diese Fähigkeit weiter leben könnte. Jedoch entzieht sich der in Ausübung des Selbstbestimmungsrechts gefasste Entschluss von Ehegatten, ein gemeinsames Kind zu haben, der rechtlichen Nachprüfung auf seine Notwendigkeit...".
Im Ergebnis hat der BGH daher zur Frage der Notwendigkeit ausgeführt, dass diese - sogar mehrfach - als Kosten für Invitrofertilisation erstattungsfähig sind. Ein Erfolg der Behandlung muss dabei nicht sicher vorhersehbar sein. Es genügt, wenn die medizinischen Befunde und Erkenntnisse die Behandlung im jeweiligen Zeitpunkt vertretbar erscheinen lassen.
Maßnahmen künstlicher Befruchtung sind Heilbehandlungen, da sie zumindest auf eine Linderung der Sterilität zielen, auch wenn sie nicht bezwecken können, die Ursache der Krankheit, nämlich die Sterilität zu beseitigen. Heilbehandlung ist nach herrschender Auffassung aber auch diejenige ärztliche Tätigkeit, durch die die betreffende Krankheit gelindert werden soll. Linderung bedeutet dabei nicht nur die unmittelbare Besserung eines krankhaften Zustandes, vielmehr kann von der Linderung einer Krankheit durch ärztliche Tätigkeit auch dann gesprochen werden, wenn diese auf die Abschwächung, eine partielle oder völlige Unterbindung oder Beseitigung von Krankheitsfolgen gerichtet ist oder eine Ersatzfunktion für ein ausgefallenes Organ bezweckt.
Bei der Invitrofertilisationsbehandlung, bei der der Frau Eizellen aus dem Eierstock entnommen werden, außerhalb des Mutterleibes im Reagenzglas befruchtet und anschließend wieder eingeführt werden, handelt es sich deshalb um eine Heilbehandlung, da damit die gestörte Transportfunktion der Eileiter durch einen ärztlichen Eingriff ersetzt werden kann, und dadurch die Unfruchtbarkeit im Sinne eines nicht Zustandekommens der Empfängnis, überwunden werden kann.
Krankheit ist dabei definitionsgemäß jeder anormale körperliche oder geistige Zustand, der eine nicht ganz unerhebliche Störung körperlicher oder geistiger Funktionen mit sich bringt (§ 1 MBKK).
Hierzu wurde früher vertreten, die bloße Kinderlosigkeit sei nicht als Krankheit zu bewerten. Zwischenzeitlich ist aber höchstrichterlich längst geklärt, dass eine aufgrund gestörter Funktionsfähigkeit der Eileiter zurückzuführende Sterilität eine Krankheit im Sinne des
§ 1 MBKK darstellt. So führte der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 17.12.1986 aus: "Die Fortpflanzungsfähigkeit ist für Ehepartner, die sich in der Ausübung ihres Selbstbestimmungsrechts gemeinsam für ein eigenes Kind entscheiden, eine biologisch notwendige Körperfunktion. Die nicht behebbare Unfruchtbarkeit bedeutet oftmals für den sterilen Partner eine erhebliche Einschränkung seines Selbstwertgefühls und kann zu schwerwiegenden Konflikten zwischen den Ehepartnern bis hin zu seelischen Erkrankung führen. Auch die organisch bedingte Sterilität als solche - unabhängig von ihren konkreten körperlichen Krankheitsursachen -ist als regelwidriger Körperzustand einzuordnen. In diesem Sinne ist der organbedingt sterile Ehepartner - im Unterschied zu kinderlosen Eheleuten - schlechthin als krank im Sinne der Versicherungsbedingungen anzusehen".
Zudem liegt eine Krankheit im Sinne der krankenversicherungsrechtlichen Bedingungen nur bei dem Partner vor, der organisch bedingt fortpflanzungsunfähig ist. Die Krankheit betrifft dagegen nicht den anderen Partner, bei dem diese Fähigkeit unbeeinträchtigt ist, dessen körperlicher Zustand sich insoweit gerade als regelgerecht, also gesund, darstellt (BGH VersR 98,87).
Das Ende der Kinderlosigkeit führt nicht zu einer Linderung oder gar Heilung der Unfruchtbarkeit, da die Sterilität auch nach der Geburt des ersten Kindes oder gar mehrerer Kinder fortbesteht. Dies hat zur Folge, dass eine Erstattungspflicht des privaten Krankenversicherers auch im Rahmen der Kostenerstattung bei künstlicher Befruchtung führen kann, die zur Geburt eines zweiten oder dritten Kindes führen soll.
(Sogenannte Zweitekindentscheidung des Bundesgerichtshof vom 21.09.2005).
Allgemeine Erstattungsvoraussetzungen
Ein Erstattungsanspruch im Rahmen des privaten Krankenversicherungsvertrages besteht dann, wenn der sogenannte Versicherungsfall eingetreten ist. Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 der MBKK ist Versicherungsfall die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Die dafür anfallenden Kosten müssen also medizinisch notwendige Heilbehandlung sein, an der versicherten Personen durchgeführt werden und zwar aufgrund einer Krankheit.